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„ESD“ steht für Electrostatic Discharge – auf deutsch: Elektrostatische Entladung – und ist ein Phänomen, das jeder kennt: der Pulli knistert beim Ausziehen, die Haare stehen ab, es „funkt“ zwischen zwei Menschen, die Autotür verpasst einem einen kleinen Stromschlag und vieles mehr. Was im Alltag nur lästig ist, führt in Unternehmen der Elektroindustrie zu erheblichen Schäden. Daher sollten vor allem solche Unternehmen alles über ESD und den Schutz davor wissen – hier bekommen Sie alles Wissenswerte über elektrostatische Entladung einfach und verständlich erklärt!

WIE GENAU ENTSTEHT ESD?

Bevor es zu elektrostatischen Entladungen – ESD – kommt, muss eine elektrostatische Aufladung stattgefunden haben. Diese entsteht durch die Trennung elektrischer Ladungen zwischen zwei Objekten oder Materialien.

Zunächst erfolgt ein Kontakt der beiden Objekte oder Materialien. Haben diese beiden Objekte eine unterschiedliche Elektronenbindungsstärke, so können Elektronen von einem Material zum anderen fließen. Häufig wird dies durch Reibung provoziert. Es entsteht eine elektrostatische Aufladung: das Material, das Elektronen abgegeben hat, lädt sich positiv auf, das Elektronen aufnehmende Material wird negativ geladen. Bei Trennung beider Materialien bleiben ein Elektronenüberschuss auf der einen Seite sowie ein Elektronenmangel auf der anderen Seite bestehen.

Bestehen die aufeinandertreffenden Gegenstände aus gut leitfähigen Materialien, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es noch während der Trennung der beiden Gegenstände zu einem Ladungsausgleich kommt. Die Ursache dafür sind ein niedriger Widerstand und eine gute Leitfähigkeit. Dadurch ist die Zeitkonstante für den Ladungsaustausch kleiner als die Zeit, die für den Trennungsausgleich benötigt wird.

Handelt es sich jedoch um schlecht leitfähige oder gar isolierende Materialien und spielen andere Faktoren wie beispielsweise eine geringe Luftfeuchtigkeit eine Rolle, ist die Leitfähigkeit der Materialien stark eingeschränkt und die Zeitkonstante zum Ladungsausgleich größer als die Trenngeschwindigkeit.

Dadurch behalten beide Gegenstände ihre vorher angenommenen Ladungszustände. Wird der letzte Kontakt unterbrochen und entfernen sich beide Körper voneinander, erhöht sich die Potenzialdifferenz. Das ist vergleichbar mit der Wirkungsweise eines Kondensators, bei dem sich durch die Vergrößerung des Ladungsflächenabstands auch die Spannung stark erhöht.

Die Größe der Kontaktfläche, der Anpressdruck und die Reibungsintensität, Materialeigenschaften, die Trennungsgeschwindigkeit und der Trennungsabstand, sowie die Luftfeuchtigkeit sind entscheidende Einflussfaktoren auf die Ladungsstärke und in Folge auf die Intensität der ESD.

WANN WERDEN LADUNGEN GEFÄHRLICH?

Im Alltag erfolgen laufend elektrostatische Aufladungen. Diese Ladungen sind in der Regel unproblematisch. Allenfalls ist es ein bisschen unangenehm, wenn die Haare geladen sind oder der Pulli knistert.

Elektrostatische Aufladungen können eine Kontaktspannung von bis zu einigen kV erreichen. Selbst diese hohe Spannung ist für Menschen in der Regel völlig ungefährlich, denn die übertragene Energiemenge ist sehr gering und der Stromfluss durch den Körper minimal.

Anders sieht es bei elektronischen Geräten und Bauteilen aus. Empfindliche Komponenten können schon bei geringer elektrostatischer Entladung schwer beschädigt werden.

Hohe Reparatur- und Austauschkosten sind die Folge und oft stellt sich die Frage, wann und wo die Schäden entstanden sind. Für Unternehmen aus der Elektroindustrie bedeutet das einen schweren Imageschaden, sollte der Schaden schon bei der Produktion entstanden sein. Die Vermeidung von ESD hat für die Elektroindustrie daher oberste Priorität.

Verringerung der Ladungserzeugung durch erhöhte Luftfeuchtigkeit
Tätigkeit Luftfeuchtigkeit 10%  Luftfeuchtigkeit >60% 
Bewegung am Arbeitsplatz 6000 Volt 100 Volt
Papier in Kunststoffhülle verpacken 7000 Volt 600 Volt
Über Kunststoffboden gehen 12 000 Volt 250 Volt
Luftpolsterverpackung entfernen 26 000 Volt 1000 Volt
Über Teppichboden gehen 35 000 Volt 1500 Volt

ENTLADUNG UND GEFÄHRDETE BAUGRUPPEN

Seit in den 1960er Jahren die Halbleiterbauelemente eine technische Revolution in der Elektrotechnik losgetreten haben, ist auch das Problem des ESD-Schutzes allgegenwärtig.
Immer kleiner und leistungsfähiger werden die Bauteile mit Leiterbahnstrukturen von unter 0,25 μm und reduzierten Oxiddicken von deutlich unter 100 Angström. Das macht sie aber auch dementsprechend anfällig, wenn eine elektrostatische Entladung auftritt.

Die Folgen sind häufig:

  • Thermischer Durchbruch eines p/n-Übergangs
  • Oxiddurchbruch (dielektrischer Durchbruch)
  • Aufschmelzen der Metallisierung

Dies führt zu Fehlfunktionen, verkürzter Lebensdauer oder schlussendlich zum Totalausfall des Halbleiters. Neben dem Menschen sind auch Geräte wie beispielsweise Lötspitzen, Produktionsmaschinen oder Verpackungen Ladungsüberträger.

Um diese genauer zu klassifizieren, spricht man in der Norm von drei Modellen:

  • HBMHuman Body Model
  • CDMCharged Device Model
  • MMMachine Model

In der Literatur werden weitere Modelle beschrieben:

  • SDMSocket Device Model (Modell, das die Entladung eines elektrostatisch aufgeladenen Bauteils mit zugehörigem Sockel simuliert)
  • CBMCharged Board Model (Beschreibt die Entladung einer montierten Baugruppe, durch höhere Kapazitäten und Induktivitäten als beim Charged Device Modell)
  • CSMCharged Strip Model (In diesem Modell werden die Ausfälle in Matrix- und Streifenform, zum Beispiel in Bestückautomaten, simuliert)
  • ESDFOSESD From Outside to Surface (Beschreibt die direkte Entladung in die Oberfläche der Bauteilstruktur, dies geschieht bei der Produktion von Wafern und ICs)

EMPFINDLICHKEIT VON HALBLEITERN

Halbleitertyp

Elektrostatische Spannung (V) /
ESD-Empfindlichkeit

V-MOS 30 ... 1800
MOSFET 100 ... 200
EPROM 100 ... 500
Junction-Fet 140 ... 1600
Operationsverstärker (Fet) 150 ... 500
Operationsverstärker (bipolar) 190 ... 2500
CMOS 250 ... 2000
Schottky-Dioden 300 ... 2500
Film-Widerstand 300 ... 3000
Schottky-TTL 300 ... 2500
Transistor, bipolar 380 ... 7000
Thyristor 680 ... 2500

MATERIALIEN UND OBERFLÄCHENWIDERSTÄNDE

  • 1| Materialien, die leitfähig (konduktiv) sind. Sie haben einen geringen Widerstand von 104 Ω und sorgen damit für ein schnelles Abfließen der Ladung. Sind solche Materialien (Metalle, Karbon und sogar die Schweißschicht der menschlichen Haut) über eine Verbindung geerdet, fließt die gesamte Ladung ab. Bei Materialien < 104 Ω muss jedoch die Gefahr der harten Entladung berücksichtigt werden.
  • 2| Materialien, die ableitfähig (dissipativ) wirken, leiten Ladungen über einen längeren Zeitraum ab. Ihr Oberflächenwiderstand liegt zwischen 104 und 1011 Ω. Eine zu schnelle Entladung von ESDS aufgrund des Kontaktes zu leitfähigen Flächen wird dadurch verhindert. Sie werden in der Elektronikindustrie meist als Verpackungsmaterialien eingesetzt.
  • 3| Materialien mit einem Oberflächenwiderstand von mehr als 1011 Ω wirken isolierend. Sie können vorhandene Ladungen nicht ableiten und sind elektrostatisch aufladbar. Das ist besonders in der Elektronikindustrie ein Problem, da sie Ladungsinseln bilden, die für ungeschützte Baugruppen eine Gefahr darstellen und vermieden werden müssen. Isolatoren sind beispielsweise Luft, Glas und Kunststoffe.
  • Materialien, die abschirmend sind, wirken wie ein Faradayscher Käfig. Dadurch sind Baugruppen, die mit solch einem Material ummantelt sind, vor Auswirkungen elektrischer Felder geschützt. Sie sind mit einem leitfähigen Metall- oder Karbonelement versehen, das einen Oberflächenwiderstand von weniger als 10³ Ω aufweist.

WIE KANN MAN SICH VOR ELEKTROSTATISCHER ENTLADUNG SCHÜTZEN?

Die Etablierung einer Electrostatic Protected Area (EPA), in der mit ESD-gefährdeten Bauteilen sicher umgegangen werden kann, erfordert ein umfangreiches Schutzkonzept . Die wesentlichen Punkte hierfür sind interner wie externer Schutz der Bauteile und organisatorische Schutzmaßnahmen, mit denen Mitarbeiter, Besucher und Zulieferer aktiv eingebunden werden. 

Genauere Informationen und ein komplett ausgearbeitetes ESD-Schutzkonzept finden Sie auf unserer Seite zum optimalen ESD-Schutz:

SCHUTZMASSNAHMEN

INTERNE SCHUTZMASSNAHMEN

Integrierte Schutzschaltungen an allen Ein- und Ausgangspfaden schützen die empfindlichen Bauteile von Geräte vor ESD-Ereignissen. Effektive Erdungsstrategien im Schaltungsdesign leiten statische Ladungen ab.

EXTERNE SCHUTZMASSNAHMEN

Die Einrichtung einer ESD-Schutzzone (EPA – Electrostatic Protected Area) dient der Verhinderung elektrostatischer Aufladungen. Arbeitsplätze, Maschinen und Transportbänder müssen in der Lage sein, elektrostatische Aufladungen zu verhindern. Leitfähige Arbeitsoberflächen, antistatische Werkzeuge, ESD-gerechte Fußböden, Arbeitstische, Werkbänke und Regale sind wichtige Bestandteile einer EPA und müssen regelmäßig überprüft werden.

Eine ESD-gerechte Schutzausrüstung der Mitarbeitenden beinhaltet Arbeitskleidung mit leitfähigen Fasern, Sicherheitsschuhe mit durchleitender Sohle, Handgelenks- und Armerdungsbänder.

Verpackung, Lagerung und Transport sind Bereiche in der Produktionskette, die die empfindlichen Bauteile und die fertigen Produkte vor ESD außerhalb der ESD-Schutzzone zuverlässig schützen müssen. ESD-gerechte Verpackungen, Behälter und Klebebänder sowie Unterlagen aus ESD-sicherem Material schirmen die Bauteile und Produkte von elektrostatischen Feldern ab.

ORGANISATORISCHE UND PERSÖNLICHE SCHUTZMASSNAHMEN

Die Mitarbeiter müssen von der Notwendigkeit der ESD-Schutzmaßnahmen überzeugt sein und sich jederzeit daranhalten. Dazu sind zielgerichtete Schulungen und Weiterbildungen notwendig. Auch kurzfristige Mitarbeiter, Vorgesetzte, Besucher und Reinigungspersonal sind für das Thema zu sensibilisieren und müssen die ESD-Schutzmaßnahmen einhalten.

ESD: WICHTIGE BEGRIFFE UND WAS SIE BEDEUTEN

Ableitwiderstand. Der Ableitwiderstand ist der Widerstand zwischen einer Elektrode auf der Oberseite einer Einrichtung und dem ESD-Erdungspunkt. Der Erdableitwiderstand ist der Widerstand zwischen einer Elektrode auf der Oberseite einer Einrichtung und dem Erdpotenzial.

Ableitzeit. Das Zeitintervall, in welchem ein aufgeladener Körper durch die Verbindung zum Erdpotenzial von einem Anfangswert auf einen Endwert entladen wird, z.B. von 1000 V auf 100 V.

CDM. Das Charged Device Model beschreibt die Mechanismen, die bei der Entladung eines aufgeladenen Bauteils auftreten.
Durch einen über die Ersatzschaltung definierten Impuls wird die elektrostatische Empfindlichkeit ermittelt.

Conductive (leitfähig). Sind Materialien, die entweder oberflächenleitfähig, volumenleitfähig oder beides sind. Ihr Oberflächenwiderstand oder Volumenwiderstand muss kleiner 104 Ohm betragen (nach DIN EN 61340-5-3).

Dissipative (ableitfähig). Sind Materialien, die entweder oberflächenableitfähig, volumenleitfähig oder beides sind. Ihr Oberflächenwiderstand oder Volumenwiderstand muss ≥ 104 Ohm und < 1011 Ohm betragen (nach DIN EN 61340-5-3).

EBP. Earth Bonding Point ist der gekennzeichnete Anschluss für alle ESD-Erdungsmaßnahmen; darf nicht als Schutzleiter verwendet werden.

EPA. Die Electrostatic Protected Area ist ein mit ESD-Schutzmaßnahmen ausgestatteter Bereich, in dem ESDS ohne elektrostatisches Schädigungsrisiko hergestellt, bearbeitet, verpackt, transportiert oder gelagert werden können.

ESD. Electrostatic Discharge, ist die elektrostatische Entladung als Potenzialausgleich zwischen aufgeladenen Körpern durch direkten Kontakt oder Überschlag.

ESD-Modelle. Mit idealisierten Modellvorstellungen wird versucht, reale ESD-Entladungen nachzubilden und Testmethoden zur Ermittlung der Bausteinempfindlichkeit zu definieren. Die bedeutendsten Modelle sind HBM, CDM und MM.

ESDS. Electrostatic Discharge Sensitive Device. Bezeichnung für Bauteile oder Baugruppen, die durch elektrostatische Entladungen bei Handhabung, Bearbeitung oder Transport beschädigt werden können.

ESD-Spannungsempfindlichkeit. Schädigungsgrenze eines Bauelements gegenüber bestimmten Entladungspulsen der Entladungsmodelle HBM, CDM oder MM.

 

Elektrostatische Aufladung. Die Physik versteht darunter ruhende elektrische Aufladungen, welche durch mechanischen Kontakt und anschließende Trennung von Materialien entstehen.

HBM. Das Human Body Model beschreibt die Mechanismen, die bei der Entladung eines aufgeladenen menschlichen Körpers über ein Bauteil oder eine Baugruppe auftreten. Durch einen über die Ersatzschaltung definierten Impuls wird die elektrostatische
Empfindlichkeit ermittelt.

Ionisation. Durch den Korona-Effekt unter Hochspannung erzeugte positive und negative Ionen neutralisieren elektrostatische Ladungen. Hauptsächlich zur Entladung von Nichtleitern eingesetzt.

IsoIator. Materialien sind isolierend, wenn der Oberflächenwiderstand größer 1011 Ohm ist.

Isolierend. Sind Materialien, die entweder oberflächenisolierend, volumenisolierend oder beides sind, deren Oberflächenisolierung oder Volumenisolierung ≥ 1011 Ohm beträgt.

Low Charging. Materialien sind schwach aufladbar, wenn sie die Eigenschaft besitzen, sich bei Kontakt und anschließender Trennung bzw. Reibung nicht oder nur unwesentlich aufzuladen.

MM. Das Machine Model beschreibt die Mechanismen, die bei der Entladung einer aufgeladenen Maschinen- oder Anlagenkomponente auftreten. Durch einen über die Ersatzschaltung definierten Impuls wird die elektrostatische Empfindlichkeit ermittelt.

Oberflächenwiderstand. Der Oberflächenwiderstand eines Materials ist der elektrische Widerstand zwischen zwei auf der Oberfläche aufgesetzten Elektroden. Für vergleichende Messungen muss der Abstand der Elektroden angegeben werden.

Potenzialausgleich. Entstandene elektrostatische Aufladungen müssen sofort gegen Erdpotential (0V) ohne Gefahr für ESDS ausgeglichen werden. Oberstes Ziel des ESDSchutzes ist, statische Aufladungen nicht entstehen zu lassen.

Volumenwiderstand. Ist ein Material vollkommen aus leitfähigem Stoff, fließt der Strom im Wesentlichen durch den Körper des Materials. Der Widerstand wird zwischen einer Elektrode auf der Oberseite und einer Gegenelektrode auf der gegenüberliegenden Stelle auf der Unterseite des Materials gemessen.

Volumenleitfähigkeit. Zeichnet Materialien dadurch aus, dass das gesamte Material ableitfähig ist, und nicht nur die Oberfläche.

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